Montag, 12. Oktober 2009

E26 - Sarria

Tricastela bis Sarria (km 671)
20km, 4 Std, 7E Herberge, 15E Picknick, Karten, Briefmarken...

Mein Buch sagt 17 Kilometer, die 'offiziellen' Wegbeschreibungen, die hier überall herum liegen, versprechen deren 20. So oder so eine kurze Etappe, aber das ist in Ordnung, denn ich bin sowieso am Abbremsen. Ich befürchte, dass ich erst an einem Donnerstag per Bus von Santiago weg komme; je früher ich dort bin, umso teurer wird's. Trotzdem grüble ich lange darüber nach, ob ich die 12 km weiter soll nach Fereiros. Das Bein meckert zwar, aber der Tag ist wunderbar zum Wandern, die Gegend einmalig! In Sarria laufe ich drum entschlossen an mehreren Herbergen vorbei, bleibe dann aber mehr aus Neugier vor 'Alvaros' Etablissement stehen. Es ist erst 11.45 Uhr. Aber Sarria ist ein hübsches Städtchen, die Herberge eine wahre Oase! Garten mit Springbrunnen, Liegestühle, Terrasse, fast wie eine Wellnes-Zone. Die Superfranzosen laufen mal wieder vorbei, das Internet ist schnell, der Automat spuckt günstiges Bier aus. Mehr Vorteile kann's fast nicht geben. Die beiden Koreaner, die ich schon lange an jedem Etappenort wieder antreffe, erfüllen die positiven Klischees der Fernöstler. Ruhig, freundlich, zuvorkommend, rücksichtsvoll. Und schnarchen nicht.



Don Alvaros Herberge mit Wellneszone und Kaminfeuer.

Ich haue mich mit Bier und Wasser auf den Liegestuhl und muss aufpassen, dass ich mir die Beine nicht verbrenne. Um 16.00 Uhr sticht die Sonne vom Himmel wie bei uns im Hochsommer. Um diese Zeit kommen immer noch Pilger an, die problemlos ein Bett finden. Ein richtig fauler Nachmittag ist das, ich döse mit dem magern Haushund um die Wette. Zum Nachtessen gibt's nur Picknick, denn ich habe mir heute ein neues Pilgerkäppi geleistet. Wäre auch schade, bei dem Wetter in einem Restaurant zu sitzen. Am Abend entfacht der hospedalero ein Feuer im Cheminee und serviert selbsgebrannten Schnaps, Orujo, ein Tresterbrand aus Traubenschalen, der mit verschiedenen Aromen aufgepeppt wird. Das mit dem Feuer leuchtet mir zwar nicht ein, aber Schnaps ist an sich immer eine gute Idee. Ich lasse meine Medikamente wieder mal Medis sein und überrede auch noch die beiden Koreaner, das Gebräu zu probieren. Die beiden erleiden den Schock ihres Lebens; so etwas Starkes hätten sie noch nie getrunken. Anfänger.



Mein neues Pilgerkäppi soll vom Landstreicherbart ablenken...


...damit ich nicht hier lande.

Trina geht es gar nicht gut. Ich treffe sie vor dem Supermarkt, den Tränen nahe. Sie möchte, dass ich auf einen Kaffee mitkomme und erzählt mir ihr Malheur: Sie sei vor O Cebreiro tatsächlich im steilen Anstieg so in einen 'Marschrausch' gekommen, dass sie die Kontrolle über sich verloren habe und wie ferngesteuert vorbeigelaufen sei. Sie habe zwar Leute winken sehen, vieleicht auch mich, aber sie sei wie in Trance unfähig zu einer Reaktion gewesen. Da die nächste Herberge tatsächlich geschlossen war, kam sie auf weit über 40 Kilometer und hatte sich dabei eine Entzündung beider Achillessehnen eingehandelt. Heute habe sie knapp 10 Kilometer geschafft und dabei vor Schmerzen geheult. Es tut weh, sie in diesem Zustand zu sehen. Helfen kann ich ihr nicht, aber sie erinnert mich daran, dass auch für mich das Rennen noch nicht gelaufen ist. Also, nicht überheblich werden, altes Renntier, denn es liegen immer noch 100 Kilometer vor dir!

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