Montag, 5. Oktober 2009

E19 - San Martin del Camino

Arcahueja bis San Martin del Camino (km 498)
36km, 7 Std, 6E Herberge, 9E Essen, 2E Frühstück, 5E Bier

Eigentlich ein Scheisstag: endlos lange Strecken entlang der N120. Am Anfang habe ich wenigstens noch etwas Gesellschaft von Susan, der Kanadierin von gestern Abend. Sie möchte aber das letzte Stück ihres Caminos gemütlicher angehen, bedankt sich für die Gesellschaft und schickt mich voraus. Das sollte sich im Nachhinein als ungut für mich herausstellen. Mein Tagesziel für heute wäre nämlich León gewesen, wie ihres. Mit ihr zusammen hätte ich es sicher auch gefunden. Alleine aber habe ich es fertig gebracht, die grösste Stadt in der Umgebung, eine eigentliche Metropole, schlichtweg zu verfehlen. Wie, weiss ich heute noch nicht. Jedenfalls war's mal wieder typisch Stadt: alle zwei Meter ein Pfeil, wenn es eh' nur geradeaus geht, an den Kreuzungen darf man dafür selber raten. Irgendwann stehe ich auf einer modernen Brücke mit blauem Geländer und sehe ganz deutliche gelbe Pfeile, aber die zeigen mir entgegen in Richtung Osten!!!



Eingangs León hat's noch Pfeile...


...wo man's dann bräuchte bereits nicht mehr...


...und hier war ich dann schon richtig falsch :-)

Das verwirrt mich jetzt aber gewaltig. Ich frage einen älteren Herrn nach dem Camino, und der sagt mir, dass ich nicht auf die Pfeile achten und schön brav weiter Richtung Westen gehen soll, ich sei schon richtig. Wer sagt's denn. Mir fällt auf, dass ungewöhnlich viele Leute auf den Beinen sind und auch gen Westen eilen. Sind aber keine Pilge. Muss wohl irgendwo ein Fussbalmatch oder so sein. Der Mann holt mich später wieder ein und erzählt mir, dass hinter León, in "La Virgen del Camino" (wieder so ein malerischer, meterlanger Ortsname...) eine fiesta sei. Er will mir wohl sagen, dass ich dort keine Unterkunft finde. OK, ich möchte sowieso in León bleiben, Ruhe- und Kulturtag einschalten. Passt also wunderbar. Nur: wann kommt dieses Leõn endlich? Ich sollte seit etwa 10 Uhr da sein, trotz dem langsamen Start mit Susan, aber es ist schon nach elf Uhr? Und wieso sind die Trottoirs dermassen überfüllt? Wo rennen all die vielen Leute hin? Da, weit vorne, endlich eine Ortstafel. Aber nicht die von León, sondern eben die von La Virgen usw.!!! Ich bin an  der grössten Statd der Region vorbei gelaufen, und zu allem Übel wird hier nächstens die Strasse gesperrt, Durchkommen ist jetzt schon schwierig. Ich muss einen veritablen Zwischenspurt einlegen, und erst noch mitten auf der Strasse, weil ich mit Gepäck nicht durch die vielen Leute auf dem Gehsteig komme!



Wo wollen bloss die vielen Leute hin?


Der hilft mir jetzt auch nicht weiter...

Die Wut über meine Dummheit verleiht mir Flügel. Kurz nach dem Festort überhole ich zum zweiten Mal heute die kugelrunden, fröhlichen Brasilianerinnen. Wow, die sind also vor mir, obwohl ich so gerannt bin? Tja, man soll die Leute nicht nach ihrem Gangwerk beurteilen. Ich bin ja auch grosszügig im Verteilen von Lob geworden, also versuche ich auf etwas, das wie Portugiesisch tönen soll (dabei kann ich ja nicht mal Spanisch...), die beiden zu ihrer Parforce-Leistung zu beglückwünschen. Sie gestehen mir freimütig und mit breitestem Grinden, dass sie schon in den Vororten von León ein Taxi genommen und damit bis hier her, also 8 km nach der Stadt gefahren sind! Jetzt wird's mir aber unheimlich: ich bin gleich schnell wie ein Taxi?


Vorbei an weniger luxuriösen Gebäuden...


...zu meiner Luxusunterkunft: Einzelzimmer mit Balkon für 6E!


Ich habe mich immer noch nicht beruhigt und laufe heute eine meiner längsten Etappen. Ich höre nicht mal auf mein nach Gnade winselndes Schienbein. Ruhe! In San Martin schaue ich dann mehr aus "Gwunder" bei der Herberge San Ana herein. Da gibt es tatsächlich ein Einzelzimmer für 6E, und es ist noch frei. Das lasse ich mir nicht entgehen! Eine Nacht gänzlich ohne Schnarcher, gänzlich ohne morgendliche Stirnlampen und Plastiktütengeraschel! Das Zimmer kann gar nicht so mies sein, dass diese Vorteile nicht überwiegen würden! Es ist in einem separaten Gebäude mit ein paar Zweier- und Dreierzimmern, aber die bleiben aus mir unverständlichen Gründen leer. Ich habe also sogar ein ganzes Haus für mich alleine, inklusive dem dazugehörigen Getränkeautomaten! Das bekommt dieser natürlich sofort zu spüren; Bier hat's jedenfalls keins mehr, als am Abend spät sich ein anderer Pilger an den Kasten verirrt. Das WC ist zwar grenzwertig und die Dusch hat nur kaltes Wasser, aber das stört mich diese Nacht überhaupt nicht! Auch eine Camino-Erfahrung: wie mies der Tag auch beginnt, es wendet sich meistens trotzdem alles zum Guten!


Alles im grünen Bereich nach 500 Kilometern!

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