Mittwoch, 7. Oktober 2009

E21 - Foncebadon

Astorga bis Foncebadon (km 549)
26km, 5 Std, 8E Herberge, 9E Nachtessen, 3E Frühstück

Asotrga verlasse ich früh, die Regenhose bereits montiert. Es scheint sich so einzupendeln, dass es am Morgen noch giesst und dann im Laufe des Tages aufhellt. Besser als umgekehrt. Gerade als ich denke, es bleibe heute trocken und die Plastickhose wegen übermässiger Schweissproduktion wieder abnehmen will, kommt doch noch Regen auf, und zwar von der schwereren Sorte! Und irgendwie habe ich es geahnt: der teurere Schirm lässt mehr durch als der billige, den ich im Frauenkloster zurückgelassen habe. Aber ich bleibe immer noch wesentlich trockener als die, denen der Regen ins Gesicht peitscht und dann am Hals entlang unter die Pelerine rinnt. Etwas Geschick des Trägers vorausgesetzt schützt der Schirm auch gegen den kalten Wind. Nach zwei Stunden hört der Regen bereits wieder auf.


Das Geschäft mit den Pilgern treibt bisweilen seltsame Blüten: Cowboys in Nordspanien?

Und noch etwas anderes ist plötzlich nicht mehr da: der Schmerz im Bein. Was jetzt wirklich geholfen hat, weiss ich nicht, da ich ja gestern ein pharmazeutisches Sperrfeuer eröffnet hatte. Aber ich bleibe mal bei Folgendem: ibufén einstreichen, ein Voltaren schlucken, weinig bis keine Alkohol und beim Gehen den linken Fuss mit der Fussspitze zuerst aufsetzen. Das gibt mir zwar einen eigenartigen Gang und beansprucht die Wade etwas mehr, bremst mich aber nicht. Immerhin lege ich die 26 km in nur 5 Stunden zurück, und das bei dem Wetter und dem doch recht happigen Aufstieg nach Foncebadon auf 1400 Meter, eine der höchsten Stellen auf dem Camino. Diesen letzten Aufstieg hänge ich noch an, weil ich wieder Regen befürchte, und schaffe ihn tatsächlich fast trocken.


Wie nach dem Balkankrieg...

Das Dorf scheint schon bessere Zeiten gesehen zu haben. Er sei lange verlassen gewesen, schreibt der Höllhuber, und das sieht man ihm (also dem Dorf...) auch an. Früher sei die Gegend berüchtigt gewesen wegen der wilden Hunde. Ich bin auf der Hut, in der linken Hand den Schirm, in der rechten den Wanderstock, allzeit bereit, diesen in einen offenen Wolfsrachen zu stossen. In der Herberge 'Monte Irago' herrscht ein strenges Regime: die hospedalera erklärt mir etwa dreimal, dass ich auf gar keinen Fall und unter gar keinen Umständen mit den Schuhen in den Schlafsaal darf, und will ganz sicher gehen, dass ich als Nicht-Spanier das auch wirklich kapiert habe. So viel Spanisch verstehe sogar ich, und abgesehen davon ist es eigentlich das erste, was man in den Herbergen lernt: Schuhe draussen! Ihr Mann setzt noch einen drauf und erklärt mir eindringlich und allen Ernstes, dass es streng verboten sei, im Zimmer die Zehennägel zu schneiden!!! Wo bin ich den hier hingeraten? Aber es gibt Nachtessen und Frühstück in der Herberge, und ich habe keine Lust, dieses wie ausgebombt wirkende Dorf bei dem Wetter nach Essbarem zu durchsuchen, also bleibe ich.


Eines der vielen "Geisterdörfer" auf dieser Etappe

Den oberen Schlafsaal im Dachzimmer habe ich lange für mich alleine, bis zwei ältere Franzosen auftauchen. Der eine mit kantigem, bebrilltem Gesicht, Typ Iport-Export-Kaufmann, der andere mit Obelixschnauz und Beret, Typ Comiczeichner. Die beiden quasseln andauernd. Jeder Handgriff muss kommentiert sein, und zwar sowohl die eigenen als euch die des Gefährten. Das man so viele Pro- und Contraargumente austauschen kann, nur um eine Matratze auszuwählen! Die beiden sprechen wie ein Ehepaar: "Ich gehe jetzt duschen. Du kannst solange hier warten." - "Ja das mache ich, und nachher gehe ich duschen." Unglaublich! Noch dazu stinken die beiden. Der Saal ist so gross, aber sie müssen sich genau neben 'meinem' Bett installieren.



Das Bett direkt am Fenster war mir dann doch zu zugig.

Der Raum füllt sich nach  und nach. Ich liege voll im Durchzug , und es ist ziemlich frisch hier auf gut 1400 Meter, deshalb wechsle ich vom Bett auf einen Matratzenplatz am Boden, aber neben dem Kamin. Natürlich müssen die beiden Franzosen das kommentieren: "Der fühlt sich durch uns gestört! Das ist aber nicht im Sinne des wahren Pilgertums! bla blabla..." Ich muss vielleicht noch anfügen, dass ich bisher noch kein Wort mit denen gesprochen habe. Sie wissen nicht, dass ich alles verstehe! Ich hätte die Gesichter fotografieren sollen, als ich (ich habe extra innerlich geübt, um es besonders gut zu bringen) in perfektem Französisch erkläre, warum ich das Bett gewechselt habe. Dem Obelix war das so peinlich, dass er sich am nächsten Morgen ganz offiziell beim mir entschuldigte. Ich habe von Jupp gelernt: "Man sieht sich immer wieder auf dem Camino!" und beschliesse drum, einen auf Kumpel zu machen und nehme die Entschuldigung, grosszügig wie ich bin, an :-) Weiter habe ich heute Gelegenheit, wieder mal meine praktischen Fähigkeiten zu beweisen: Ich merke, dass der Kamin warm wird, wiel unten in der Küche mit Holz unser Nachtessen gekocht wird. Ich konstruierte eine Wäscheleine um den Sicherungskasten, der im Kamin eingelassen ist (!), und mein Plunder ist am andern Morgen herrlich flauschig warm!

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