21km, 4 1/4 Std, 7E Herberge, 5 E Wäsche, 10E Essen u Div.
Die Spanier mögen am Abend laut sein. Dafür sind es die Franzosen am Morgen. Heute habe ich mal wieder den Langzeitpilger neben mir, der die ganze Zeit durch die Nase schnieft und beim Essen schmatzt wie ein Schwein. Heute Morgen braucht der tatsächlich geschlagene 40 Minuten, bis er seinen Krempel in die raschelnden Plastiksäcke verpackt hat. Könnte mir ja egal sein, aber der Typ steht die ganze Zeit im knapp 80 cm breiten Gang zwischen den Hochbetten und blockiert die unten liegenden, denn auf der anderen Seite kann ich nicht raus, weil immer jeweils zwei Doppelbetten nebeneinander gestellt sind! Ich habe mich schon oft gefragt, weshalb niemand das Licht anzündet, wenn doch sowieso mehr als die Hälfte der Pilger mit Stirnlampe herumrennt?
Leitplanken an der Pilgerautobahn...
Da an Schlaf nicht mehr zu denken ist, bin ich schon um 7.45 unterwegs. Zum Glück habe ich am Abend davor recherchiert, dass man auch der Strasse entlang gehen kann, es ist nämlich wieder mal nicht nur dunkel, sondern auch noch neblig. Zum Teil sehe ich nicht mal richtig den Strassenrand; ich halte meine kleine Stirnlampe in der Hand und versuche so, die entgegen rasenden Autos auf mich aufmerksam zu machen. Ich bin hochkonzentriert und rechne damit, jederzeit in die Büsche oder halt das Bord hinunter springen zu müssen. Wieder einmal nichts mit Höhenweg und Aussicht, dafür der Asphalt, der die Schläge ungefedert an die Gelenke zurück gibt. Die ersten anderthalb Stunden verpasse ich nichts, aber dann erwartet mich das regenreiche Galizien zur regenreichsten Zeit mit strahlendem Sonnenschein! Alles ist grün um mich herum, die Wiesen, die Hügel (hier als Berge bezeichnet), fast wie im Klöntal, nur der See fehlt. Und es geht jetzt ja fast nur noch abwärts, O Cebreriro war das letzte wirklich hohe Hindernis auf dem Weg! Der Gedanke beflügelt mich. Irgendwie denke ich, jetzt ist es geschafft! Vom vielen Bergabwärtslaufen schmerzt mir dann aber zur Abwechslung wieder einmal das Schienbein. Vieleicht ist das auch nur die Rache, weil ich gestern wieder mal Wein getrunken habe. Aber die kleine Irin war so nett und hat mich wirklich ein bisschen böse angeschaut, als ich nicht mal anstossen wollte.
"Es grünt so grün, wenn Spaniens..."
In Tricastela laufe ich an der offiziellen Herberge vorbei, die beiden Betonkasten am Ortseingang machen mich gar nicht an. Die Herberge Aitzenea wäre gemäss Wanderbuch die beste Adresse am Platz, ist aber completo, also voll. Warum den das, um die Zeit? Ich renne also zurück zur Herberge Oribio, die direkt an der Strasse liegt und von aussen (zum Glück) wenig attraktiv ist. Drum laufen wohl so viele Pilger Nase rümpfend daran vorbei, auch die beiden Superfranzosen; die Herberge ist gebucht... Sie entpuppt sich als äusserst sauber, fast ein bisschen übertreiben für meine mittlerweile doch etwas gesunkenen Ansprüche. Die Frau mit dem Putzkübel überschwemmt beinahe die Duschräume, so gründlich nimmt sie es. Und die ganze Zeit beklagt sie sich darüber, dass sie hier arbeiten muss, wo doch heute fiesta sei in der 'Stadt'. Ach so, drum bin ich beim Einmarsch mit Böllerschüssen begrüsst worden. Und drum ist die andere Herberge ausgebucht: die privaten füllen um diese Jahreszeit das Haus auch gerne mit Nicht-Pilgern. Cool, heute läuft also was! Kann ich brauchen, nach den doch eher etwas wilden Etappen der letzen Tage. Meine Festlaune wird durch das Duo "Eclipse" (Sonnenfinsternis) allerdings rasch gedämpft; der Keyboarder geht ja noch, aber die Sängerin macht dem Namen der Band alle Ehre. Da wegen oder trotz dem mickrigen Festchen die Restaurants geschlossen sind, begnüge ich mich einmal mehr mit chorizzo, Brot und Wein aus der tienda. Für 5 Euro lasse ich mir von der Herbergsmutter die Wäsche machen. Das sollte dann bis zum Schluss reichen. Noch das Handy an die Stromtränke, reicht dann auch bis Santiago, da es tagsüber immer ausgeschaltet ist. Bin so richtig in Zielgradenstimmung. Nur einen Telebanca bräuchte ich noch; das Geld reicht nämlich nicht mehr weit.
Das Duo "Eclipse" brachte mich fast ins Grab...
Ich habe übrigens tatsächlich einen getroffen, der den Camino rennend zurücklegt. Ein jüngerer Spanier hat mich heute überholt, mit speziell flachem Rucksack, in Geländeschuhen joggend. Ich kriege aus ihm heraus, dass er für einen Marathon trainiert, zu mehr reicht mein Spanisch nicht, und so kann ich leider auch nicht damit prahlen, dass ich schon vier Marathons hinter mir habe. Schade, ein bisschen aufschneiden würde mir heute gut tun.
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