28km, 6 Std, 6E Herberge, 6 E Supermarkt
Nach einem Frühstücksbuffet mit Müesli und Kaffee marschiere ich erst gegen 8 Uhr los. Es getraut sich niemand so recht ins Freie, es ist noch dunkel, aber zur allgemeinen Überraschung regnet es nicht mehr, nachdem es die ganze Nacht aufs Dach getrommelt hat. Es ist aber immer noch dunkel und vor allem neblig. Schon gespenstisch, mutterseelenalleine durch diese Suppe zu schleichen. Die wilden Hunde könnten ja immer noch jeden Moment... Meine Sensoren arbeiten auf höchster Stufe, um vor mir ja keinen Pfeil zu verpassen und hinter mir allen Wölfen zuvor zu kommen.
Dieser Stein wurde mir mitgegeben...
...und ich habe ihn auftragsgemäss beim Kreuz deponiert!
Mein heutiger Marsch rechtfertigt sich durch meine Funktion als Auftragspilger: ich habe am Cruz de Ferro einen Stein zu deponieren. Dieser soll Sorgen, Probleme oder anderes Übel symbolisieren, die man hier abladen kann. Auftragspilger deshalb, weil es nicht mein Stein, also nicht mein Unbill ist, den ich hier zurücklasse. Meine Frau hat mir den Stein mitgegeben; welche Altlast ich für sie deponiere, weiss ich nicht. Falls ich es bin, könnte ich ja gleich hier bleiben :-) Wäre ja zu überlegen, aber das Wetter treibt mich nach kurzer Andacht rasch weiter. Ein junger Pilger zeigt da mehr Ernst: er sitzt trotz Regen auf dem Schlammboden, faltet die Hände und scheint alles um sich herum zu vergessen.
Wie man diese Landschaft beschreibt? Alpine Steppe?
Nur Oberurnen habe ich nicht gefunden...
Manchmal braucht es auch etwas Vertrauen.
Die Herberge 'Nicolas de Flüe' wurde von einem offensichtlich nicht so armen Schweizer gestiftet, also musste ich wohl fast da hin. Ein Heimspiel, sozusagen. Sie liegt übrigens nicht ganz am Weg; beim Dorfeingang geht man geradeaus weiter (oder halb rechts), der Camino geht links weg. Als ich dort um kurz vor 14:00 eintreffe, warten schon viele Pilger auf Einlass. Sie sitzen in einem Innenhof; und jeder sieht, worauf sie warten ausser die zwei Superfranzosen, die auch schon länger in meiner Kadenz unterwegs sind. Diese zwei betreten die Bühne, legen ihren Rucksack neben die Eingangstüre und stellen sich ganz selbstverständlich an die Spitze der wartenden! Ich erwarte ein Aufschrei der übrigen Pilger, aber ich staune: nichts geschieht. Ein Kopfschütteln ist das einzige. Das imponiert mir jetzt aber gewaltig. Ich beschliesse, auch wieder gelassener zu werden, werde aber gleich wieder auf die Probe gestellt: die gemäss Führer "grosszügigste Herberge am Weg" fasst fast 200 Leute, trotzdem wird hier gedrängelt, als ob es um das letzte Bett ginge. Und wieso kriege ich schon wieder so einen fetten, stinkenden Schnarchsack als Bettnachbarn? Der von heute ist sogar stolz darauf, mit seinem Schnarchen drei Ehefrauen in die Flucht geschlagen zu haben. Anfangs ist er ganz freundlich, macht einen auf Kumpel, aber dann wird er plötzlich stocksauer, weil ich bei seinem nun wirklich steinalten Witz halt nicht lache ("Du kannst kein Holländisch? Ist doch einfach, bei uns kann das jedes Kind" - hahaha.
Schmucke Dörfer unterwegs.
Niklaus von Flüe in Ponferrada.
Das Stätdchen ist auch nicht übel!
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