Mittwoch, 14. Oktober 2009

E28 - Palas de Rei

Portomarin bis Palas de Rei (km 717)
24 km, 5 1/2 Std, 9E Herberge

Gegen die Schienbeinschmerzen fresse ich zwar Drogen wie noch nie in meinem Leben, aber irgendwie nützt's nichts. Ich könnte es auch bleiben lassen. Am Abend ist's jeweils OK, aber am Morgen, wenn es dann gilt, fängt's spätestens nach einer Stunde wieder an. Das Laufen an sich ist so nicht wirklich ein Genuss. Aber ich muss dankbar sein, denn im Vergleich mit anderen habe ich keinen objektiven Grund zum Jammern: ich komme ja immer noch 'planmässig' voran. Die Schonhaltung gebe ich mittlerweile auf, denn ich bin sicher, dass mir jetzt auf den letzten Kilometern nichts mehr passieren kann. Der Ärger über das Bein und die Freude, der Stolz, es bald geschafft zu haben, halten sich die Waage. Letzteres fängt sogar immer mehr an zu überwiegen. Ich lasse ein paar Melodien meine Gedanken übernehmen, denn im Gegensatz zu Winfried's These suchen sich meine Gedanken nicht "immer selber was". Die sind manchmal einfach zu faul zum Suchen. So auch heute; ich suche nicht mal neue Melodien, sondern lasse die gleichen drei oder vier wie Mantras in Endlosschleifen im Kopf abspielen.



Solche Zahlen lassen die Gedanken schon auf den Heimweg schweifen.

Ich bin dankbar für das gute Wetter, so kann ich weiter in den leichteren Turnschuhen marschieren. Die Gegend ist etwas "langweilig"; ich fühle mich wie in der Schweiz. Gründe Wiesen, sanfte Hügel, Kühe. Ich weiss immer noch nicht, ob ich jetzt tatsächlich zwei Stempel pro Tag brauche, um die compostela zu erhalten. In einer Herberge habe ich das so gelesen, allerdings auf Spanisch. Ich klappere unterwegs sogar ein paar Kirchen ab auf der Suche nach Stempeln. Aber die sind entweder geschlossen oder haben keine Stempel. Eigentlich ist mir das Dokument egal, und da ich nicht katholisch bin, ist es mir auch nicht von Nutzen. Da aus Sicht der katholischen Kirche meine grösste Sünde ist, dass ich nicht katholisch bin, werden mir mit der Compostela auch keine Sünden erlassen. Vertrackte Situation :-) Ich weiss nicht, warum ich mir so viele Gedanken darüber mache, vermutlich nur, weil ich ja sonst so kurz vor dem Ziel nicht mehr viel anderes zum Denken habe.



Die Herberge war so gut, dass ich auch das verwackelte Bild zeigen möchte.

Die Privatherberge "Buen Camino" hat zwar einen einfallslosen Namen, ist aber ansonsten eine weiteres Highlight: ich habe ein Einzelbett unter einem Dachfenster! Ganz heimelig! Bei Bier und Sonnenschein versuche ich immer noch zu ergründen, weshalb so viele Pilger sich in die Gemeindeherbergen quetschen, selbst wenn wie hier Alternativen vorhanden sind. Vermutlich wegen dem Gefühl der Gemeinschaft, weil man sich dort trifft. Ein Australier meint, es sei wohl wegen dem Geld. Die Privaten sind ja immer etwa zwei bis drei Euros teurer. Für uns einigermassen Betuchte mag das kein Argument sein, aber ich sehe heute das Paar aus Rumänien, die auch in "meiner" Herberge anklopfen, sich aber die 9 Euro pro Nase nicht leisten können. Ich bin drauf und dran, ihnen den Betrag zu spenden, denn die junge Frau, die schon in Sarria neben mir fast gestorben ist, ist immer noch krank. Da würde ich wohl aber ein falsches Zeichen setzen und hätte für den Rest des Weges unfreiwillig eine ganze Pilgerschar am Hals.


Das typische Pilgermenü...


...und das typische Menü vor dem Menü :-)

Für heute sind das genug tiefschürfende Gedanken. Ich verbringe den Rest des Tages auf der Terrasse neben der Durchgangsstrasse bei Bier und bocadillo und ertappe mich dabei, wie ich mich immer mehr schon mit der Ankunft und der Heimreise beschäftige. Dabei sollte ich doch die letzten Tage noch geniessen, vor allem bei dem Prachtswetter.

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