Picknick am Ender der Welt.
In Fisterra oder Finisterra (die Verwendung beider Namen verwirrt viele Pilger) ergeht es mir ähnlich wie in Santiago: wo denn jetzt das Ende der Welt tatsächlich ist, muss man selber herausfinden. Auch hier ist keine Tafel, kein finaler Pfeil zu finden. Ich entdecke aber eine Stelle auf dem Klippe, die ganz von Russ geschwärzt ist. Da werden sicher nach alter Tradition Kleider verbrannt, reime ich mir zusammen, um mir wenigstens das Gefühl zu geben, am Ende angekommen zu sein. Nach einem wildromantischen Picknick direkt neben einem ins Meer führenden Abwasserrohr mache ich mich auf Muschelsuche. Die Muscheln sollen früher nicht der Beweis, aber so doch ein Zeichen gewesen sein, dass der Pilger sein Ziel erreicht hat. Fast eine Stunde verbringe ich auf der Jagd nach Schalentieren, aber die Ausbeute ist sehr mager. Es ist offenbar nicht mehr Saison, oder die Pilgerkollegen vor mir haben schon alles abgegrast. Ich habe aber eine der Besten Aller Ehefrauen versprochen, und so geht es mir wie dem Fischer, der nichts fängt: ich kaufe in einem Souvenirshop ein schön grosses, echtes Exemplar, dass man sehr gut für Shell-Werbung einsetzen könnte.
Die letzten mickriegen Müschelchen, die sich verzweifelt an den Fels klammern.
Der Heimweg mit Bus offenbart wieder einmal, dass der Camino die Leute nicht soooo heftig verändert, wie das oft romantisiert dargestellt wird. Wir werden nämlich mitten auf einem Hafengelände aus dem Bus gejagt, natürlich nur auf Spanisch, und wissen im ersten Moment nicht so recht, was jetzt geschieht. Mich schockt das nicht mehr, ich bin einen ganzen Monat unterwegs gewesen, also was soll's, wird schon klappen. Aber die meisten deutschen Mitreisenden finden das wider mal einen guten Grund, so richtig abzulästern. Die Leute waren also 800 und mehr Kilometer als "dankbare Pilger" unterwegs und haben jetzt ein Problem damit, dass sie 10 Minuten auf einen Anschlussbus warten müssen. Frei nach Polo Hofer kann man wohl 100 Kilometer weit gehen und doch keinen Schritt weiterkommen... Die Frau des mürrischen Dauernörglers erklärt mir, dass ihr das Land als Ganzes schon überhaupt gar nicht gefalle. Wahrscheinlich hätte es ihr auch besser gefallen, wenn sie nicht mit diesem Profi-Stänkerer unterwegs wäre.
Busfahrt von Finisterra zurück nach Santiago.
Zurück in der Stadt treffe ich auf Ingo und Ingrid, und da macht es bei mir klick, dass der blonde Engel im Bus wohl die Astrid gewesen sein muss, von der die beiden bzw vor allem der Ingo :-) mir andauernd vorschwärmen. Er will mich irgendwie mit ihr verbandeln und fragt, ob ich mich den mit ihr unterhalten habe. He Ingo! Überleg mal! Möglicherweise sprechen Prinzessinnen mit Fröschen, aber das ist eine Göttin!
Verwirrende Drei(!)fachtreppe im Völkerkundemuseum.
Die letzten beiden Tage lasse ich an mir vorbeiziehen in einem Gemisch aus Schoppingrausch, Rückzugsvorbereitungen, Abhängen im "Cafe Casino" und etwas Kulturbeflissenheit. Es dauert nämlich relativ lange, bis ich aus meiner Lethargie erwache und merke, dass Santiago nicht einfach nur das letzte Etappenziel ist, sondern auch einiges zu bieten hat. Ich besuche sogar das Pilgermuseum und das Galizische Völkerkundemuseum. Diese beiden letzten Tage hätte es einerseits nicht mehr gebraucht, andererseits muss ich so nicht befürchten, etwas verpasst zu haben und kann beruhigt sagen: es reicht! Ich will nach Hause!
Ich werde wohl das Pilgerdasein noch öfters vermissen...
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