Dienstag, 13. Oktober 2009

E27 - Portomarin

Sarria - Portomarin (km 693)
22km, 5 Std, 8E Herberge

Ein Marsch zum Vergessen. Nach anderthalb Stunden fängt das Schienbein an zu fauchen und hört nicht mehr auf damit. Ich denke an Trinas Unglück und kriege Angst, dass mir das auch passieren könnte. Ich versuche mich wieder im Vorfusslaufen, die Schonhaltung beim Verdacht auf Schienbeinkantensyndrom. Es will in dem Unwegsamen Gelände nicht so recht gelingen. Dann fängt auch noch der Knöchel an, im Schuh zu reiben. Also fliegender Wechsel zu den ausgelatschten Joggingschuhen. In diesen wiederum hat dann das Schienbein weniger halt und schmerzt mehr. Ich habe sozusagen die Wahl zwischen arg und übel. Irgendwann beschliesse ich aber, die Schmerzen zu ignorieren, weil ich mittlerweile überzeugt davon bin, dass sich daraus nichts weiter Schlimmes entwickelt. Wenigstens bin ich heute nicht alleine; allerlei Getier kreuzt meinen Weg. Begleitung lenkt doch ab, auch wenn es sich nur um Schafe handelt. Oder sind es doch Pilger? Bei vielen konnte ich das nämlich nicht unterscheiden...



Wenigstens hatte ich Gesellschaft...

Zwischendurch muss ich anhalten und könnte schreien vor Schmerz. Ich belasse es beim stillen Fluchen und hoffe, dass mich das letztendlich nicht die Compostela kostet. Der Marsch ist zum Glück mit 22 Kilometern nicht allzu lang, und so stehe ich schon bald in schwindelerregender Höhe auf der Brücke vor Portomarin. Irgendwo unter mir muss das Dorf sein, dass man im Stausee versenkt hat. Gespenstischer Gedanke.



Die Brücke bietet atemberaubende Aussicht, vor allem für höhenängstliche wie mich.

Zur Herberge gehe ich rechts an der Kirche vorbei; kurz nach der Gemeindeherberge führt etwas versteckt ein Strässchen rechts nach unten. Angeschrieben ist nur der Weg zur Pension 'Manuel', aber der führt auch eine Pilgerherberge. Ich bin mal wieder der erste Gast. Die diensthabende hospedalera ist ausnehmend freundlich, sieht mir an, dass es mir nicht gut geht, und als ich noch etwas meine Bein bejammere beschenkt sie mich mit einer halben Schachtel Ibufen. Das will ich unbedingt bezahlen, denn Medis sind ja teuer, aber sie will davon nichts wissen. Später lerne ich, dass Medis spottbillig sind in Spanien: eine ganze Schachtel davon kostet nur 2 Euro! Ich habe die Qual der Wahl im Zimmer; nahe bei der Dusche oder nahe beim Fenster? Beim Fenster könnte es zwar lauter werden, aber ich habe ja meine Ohrenstöpsel. In der Nähe zu den WC und Duschen latschen dann alle vorbei, das ist unangenehmer. Nur, was mache ich mir da wieder für unnötige Gedanken? Die Herberge scheint nämlich ein absoluter Geheimtipp zu sein; es kommt niemand mehr. Zum zweiten Mal nach Valcarlos habe ich eine ganze Bude für mich allein!



Fast ein bisschen wie Bern: Turm und Lauben in Portomarin.

Die Dusche hat sogar richtiges Schampo für mich bereit. Das habe ich  schon lange nicht mehr gehabt; sowohl meine Haut als auch mein (Rest-)Haar und sogar die Wäsche kamen die letzten paar Wochen nur mit dem gleichen Stück Seife in Kontakt. Es sind die kleinen Dinge, die einem nach gewisser Zeit auffallen und erfreuen. Zum Beispiel gibt's hier auch Handseife auf der Toilette, auch das erste Mal auf dem Camino, und das im Zeitalter der Schweinegrippe. Wenn ich jetzt auch noch ein Frottee-Tuch hätte statt immer nur diese Microfaser - Hightech - Lumpen... Ich schlafe zwei Stunden am Nachmittag tief und fest. Das ist mir noch nie passiert. Etwas dösen vielleicht, aber ganz weg dann doch nicht. Vermutlich die Medis? Ich werde gar nicht mehr richtig wach, habe drum keine Energie für Gesellschaft und beehre darum wieder mal einen Supermarkt fürs Nachtessen.

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