Sonntag, 27. September 2009

E11 - Burgos

San Juan de Ortega bis Burgos (km 287)
25km, 5 1/4 Std, 3E Herberge, 30E (!) Essen

Da mir Britta netterweise ihren Wein überlassen hat, schlafe ich so gut wie schon lange nicht mehr - bis 6.45 Uhr! Ich erwache nur kurz, als die arme ihre Matratze kurzerhand auf den Boden schmeisst und dort weiter schläft, weil die Betten für sie mal wieder zu kurz sind. Gross zu sein hat nicht nur Vorteile... Leider ist sie am Morgen schon auf und davon. Ich hatte eigentlich auf ihre Unterstützung bei der Suche nach dem Weg im Dunkeln gehofft. Macht mir nämlich inzwischen Horror, denn es ist täglich länger dunkel. Zwei Donuts aus dem Automaten zum Frühstück sind ein weiteres kulinarisches Highlight an diesem Ort, den ich um 7.45 erleichtert verlasse.



Ausserirdische?

Die lange Etappe von gestern steckt mir doch noch in den Knochen (oder ist's der Wein?): ich gehe ziemlich unrund und bin nicht sicher, ob ich am rechten Fuss auf der Aussenseite eine Blase habe. Fühlt sich so an, kann an dieser Stelle aber eigentlich nicht sein. Oder schmerzt gar das Fussgelenk? Das zwickt doch manchmal auch und dann wieder nicht? Ich habe die zweite Stufe des Pilgerbewusstseins erlangt: in der ersten ist der Kopf voll damit ausgelastet, die neue Situation zu meistern; dass man jede Nacht an einem anderen Ort schläft, wie man wäscht, welche Betten die besten sind, wo's was zu Essen gibt, wie man den Rucksack packt und so weiter. Nach 10 Etappen haben sich diese äusseren Dinge eingespielt, so dass Hirnkapazität frei wird für mich selber, mich selbst zu spüren, wenn auch erst körperlich, aber immerhin. Wenn auch diese Stufe durchbrochen ist, so stelle ich es mir jedenfalls vor, werde ich bereit sein für die grossen Erkenntnisse, für Erleuchtungen und  Begegnungen. Aber soweit bin ich noch nicht. Momentan habe ich einfach mal wieder (oder immer noch) Hunger.



Endlich mal wieder etwas Zivilisation...

Burgos wird mir Kultur en Masse bieten, aber ich gebe zu, am meisten freut mich, dass es dort sicher genug Restaurants hat. Zur Herberge muss ich mich durchsuchen; in den Städten ist die Führung mit gelben Pfeilen nicht immer gewährleistet. Heute hört sie zum Beispiel an einem im Bau befindlichen Kreisel auf. Ich frage ein Gruppe Einheimischer und erhalte drei verschiedene Himmelsrichtungen zur Auswahl. Also mal wieder nach Gefühl: die breiteste Strasse nehmen, die nach Westen geht. Irgendwann nimmt die Rucksackdichte wieder zu und ich der Weg stimmt wieder. Ich treffe auch die 52-jährige Dame wieder, die (zu Fuss!) in Amsterdam gestartet ist. Sie sieht ein kleines bisschen verwildert aus, raucht wie ein Kamin und ist immer guter Laune. Sie hat mir in der Holländerherberge vor sechs Tagen mein hohes Marschtempo angekreidet. Wieso glauben alle zu wissen, welches Tempo für mich gut ist? Sie hat damals gesagt, ich solle ein Tag mit ihr marschieren, um einen vernünftigen Schritt zu lernen, aber ich habe sie seither nie mehr gesehen. Und jetzt ist sie am gleichen Ort wie ich. Ich sage ihr, im Scherz natürlich, dass sie wohl keine gute Langsamlehrerin sei, schliesslich sei sie gleich schnell wie ich unterwegs. Und heute überholt sie mich definitiv, denn ich bleibe in Burgos, sie geht weiter. Bis nach Finisterra übrigens, dort will sie per Anhalter auf einem Boot zurück nach Holland. Verrücktes Huhn.



Schlafkojen in der Gemeindeherberge von Burogs

Die Staatsherberge ist ein richtiger Fliessbandbetrieb, aber modern, grosszügig, sauber. Die Schlafsäle sind über mehrere Etagen verteilt und in Viererboxen aufgeteilt. Zudem bietetn sie für jedes Bett ein Schliessfach. Das Ganze für Schlappe 3 Euro. Von weitem höre ich schon wieder den gleichen Kerl wie gestern, der jedem ungefragt in einem komischen Dialekt erzählt, dass er heute schon "zeeeeehn Kilomeeeter geloffen" ist und schon Eiterblasen aufgestochen habe und sein Marschkollege glücklicherweise "abboteeeker" ist und überhaupt: "Mein Arbeeetskoleeeesche tätet des niiii dengge dass iich vierhundert Kilomeeeeder laufe tät". Nein, nicht schon wieder! Das interessiert hier keine Sau!



Der "Pilgereingang" der Kathedrale von Burgos

Der Hunger treibt mich in die Stadt. Ich werfe ein Döner-Menu mit einer Portion Pommes inklusive Bier in mich hinein, nur um an der nächsten Ecke noch eine Pizza mit Zutaten und nochmals zwei Bier zu verdrücken. Natürlich taucht genau da die Britta auf, diesmal mit ihren zwei Kolleginnen, die per Bus angekommen sind. Die müssen einen schönen Eindruck von mir haben, sehen mich eigentlich nur immer beim Bier... Britta kreischt von Weitem "Ich glaub's nicht, der kleine Schweizer!!!" durch die Strasse. Wir können uns also doch noch verabschieden, die Mädels gehen morgen heim. Ordentlich gestärkt bin ich doch noch bereit für Kultur und besichtige ausgiebig die Kathedrale von Burgos. Man verkauft mir ein vergünstigtes Pilgerticket, ohne dass ich den Pilgerpass zeigen muss. Ein Erfolgserlebnis: der Bart zeigt langsam Wirkung!


Ein Besuch wert: die Kathedrale von Burgos.

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