Dienstag, 29. September 2009

E13 - Castrojeritz

Hornillos del Camino bis Castrojeritz (km 328)
21 km, 4 Std, 5E Herberge, 12E Essen plus diverses

Ein wunderschöner Spaziergang durch eine abwechslungsreiche Gegend, mindestens im Vergleich zu gestern. Mir ist wieder mal nach Einsamkeit nach der vielen Gesellschaft gestern Abend. Die beiden Namensvettern John und Sean (das sei die irische Form von John) sind wohl kurz nach mir gestartet; ich höre den Australier hinter mir pausenlos quasseln. Da braucht John wohl die ganze Besonnenheit, die in 60-jähriger Landwirt aufbieten kann, um das auszuhalten. Mir ist der Morgen zu schade dafür, ich gebe etwas Gas, bleibe auf Abstand.



Kurz nach Hornillos.

Die von Büschen gesäumte Staubstrasse führt durch hügelige Landschaften. Einmal bin ich sogar ziemlich überzeugt, Ziger zu riechen. Gibt's hier Zigerklee? Oder stinke ich so? Ein Traktor kommt mir entgegen, er fährt im Feld, wechselt aber 10 Meter vor mir auf die Strasse, so dass ich ins Feld hechten muss! Der hat mich doch gesehen, was soll das?!? Das Wetter ist immer noch brillant; ich lauf meistens nur im T-Shirt. Die Herberge macht normalerweise erst um 13:30 auf, aber heute erscheint der hospedalero schon um 12 Uhr und lässt uns rein. Bin ausnahmsweise nicht der Erste: ein jüngerer Mann hülpt mit schrecklich einbandagierten Füssen bereits in der Herberge herum. Wie kann der vor mir angekommen sein mit diesen Füssen? Bei dem lösen sich tatsächlich die untersten 1 bis 2 Zentimeter Fusssohle ab, wie bei einem alten Schuh! So etwas habe ich noch nie gesehen, mich schüttelt's vom Anblick. Der arme ist schon gestern angekommen und darf einen Tag in der Herberge bleiben. Das ist normalerweise nicht möglich; die Pilger werden am Morgen weggejagt, ausser bei höherer Gewalt (Wetter) oder bei schweren gesundheitlichen Problemen. Und solche hat der Mann ganz offensichtlich!



Das in solchen "Dörfern" Leute wohnen?

Wir Pilger sind ja schon nicht immer die saubersten, aber den Schlafsaal zuerst mit Räucherstäbchen zu desinfizieren finde ich dich ein bisschen übertrieben. Es fällt mir wieder mal auf, wie viel die Spanier reden. Liegt wohl auch an der Sprache selbst. Die brauchen für alles viel mehr Silben. Das zweisilbige "Frühstück" oder  "breakfast" wird zum viersilbigen "de-sa-yu-no". Ein so simples Wort ist also schon mal doppelt so lang wie in anständigen Sprachen. Ich halte mich an die Englischsprachige Pilgerschaft. Die beiden Hans (John und Sean) sind nämlich unterdessen eingetroffen und winken mich vor einem Restaurant an den Tisch. Sean staunt, dass meine Muttersprache nicht Englisch ist, man höre gar keinen Akzent. Gemäss John ist ein solches Kompliment von einem Australier mit Vorsicht zu geniessen, weil die ja seiner Meinung nach schon grad gar nicht Englisch können... Dave, ein weiterer Australier, findet mich "a very dangereous man", also sehr gefährlich, als ich ihm erzähle, dass ich von Programmiere auf Lehrer wechseln wolle. Er will sofort mit meiner Frau telefonieren; weil die um diese Zeit aber in der Schule ist, verspricht er mir, dass später nachzuholen, wenn wir uns wieder sehen. Sean staunt wieder, wie wenn ich gerade aus einem Raumschiff gestiegen wäre. Die Runde wird dann noch durch ein paar Deutsche erweitert, so dass mein Bedarf nach Gesellschaft nach etwa zwei Stunden Aperitiv gedeckt ist. Ich verzichte heute auf das Pilgermenu, kaufe mir etwas Brot und eine chorizzo (Paprikawurst) und haue mich damit auf eine Parkbank.



Langatmiger Anmarsch auf Castrojeritz mit der Burg im Hintergrund.

Der Typ mit den kaputten Füssen läuft jetzt in einer Mönchskutte herum Er hat Support von oben und leidet trotzdem. Mein Draht zum Himmel ist nicht so gut, trotzdem leide ich nicht. In letzter Zeit kommen mir Zweifel, ob ich hier wirklich am richtigen Ort bin. Tagebuch scheinen ausser mir nur Frauen zu führen, ich bin der einzige, der in Trainerhosen herumläuft, ich jammere nicht, ich rede nicht gern über Kilometer. Bin ich hier falsch?

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