Donnerstag, 24. September 2009

E8 - Azofra

Navarrete bis Azofra (km 199)
28 km (davon 4 km verlaufen...) , 5 Std, 6E Herberge, 10E Essen, 3 E Bier

Heute starte ich denkbar schlecht: ich kann mal wieder nicht richtig schlafen und es hält mich nichts in der Herberge. Es geht hier aber spürbar täglich länger, bis es hell wird, ich sollte vielleicht etwas länger mit dem Aufbruch warten. Jedenfalls bin ich ausgangs Navarrete nach dem Firedhof halb links weg, wie das auch der Höllhuber beschreibt. Soweit ich das im Dunkeln erkennen kann, wandere ich durch Weinberge, vorbei an Höfen, werde von unsichtbaren Hunden angebellt und vor allem sehe ich gefühlte dreiviertel Stunden keinen Pfeil mehr, und es haben doch schon etliche Pfade meinen Weg gekreuzt. Die goldenen Regel lautet: wenn du eine halbe Stunde keinen Pfeil mehr siehst: zurück zum letzten Pfeil! Zähneknirschend kehre ich um. Es sind dann doch nur gut 20 Minuten, aber bei meinem Tempo wären das 2 Kilometer. Präzise beim oben beschriebenen Friedhof, wo ich den letzten Pfeil noch sah, kommt mir Peter's Österreicherin entgegen, mit weit ausholenden Schritten. Ich sage ihr kleinlaut, dass wohl auf dem falschen Weg war, aber sie trompetet ganz fröhlich in die Morgenfinsternis: "Doch doch, des passt schon!". Na super. Also doch wieder durch die Weinberge, die jetzt bei einsetzender Helligkeit eindeutiger als solche zu erkennen sind. Ich beschliesse aber, bei ihr zu bleiben, bis ich des Weges wieder ganz sicher bin. Ich bin also etwa 4 Kilometer vergebens gelaufen. Aber was sind schon 4 Kilometer auf deren 800? Ein halbes Prozent, mehr nicht. Die Österreichern muss mal für kleine Mädchen; die Gelegenheit für mich, um abzuhauen.



Bei Licht seh' ich die Tafel auch...


Kurz vor Azofra: oft ist der Weg eher ...hm... unattraktiv?

Heute sind auffallend viele Spanier unterwegs. Ich sehe das denen nicht an, dass sie Spanier sind, aber man hört's, und zwar von Weitem. Die haben andauernd etwas zu besprechen, und das tun sie immer laut. Wozu haben die Handys? Die schreien ja eh' so laut, dass man sie im ganzen Land hört! Die meisten sind alt, kurz- und krummbeinig. Hat irgendwo eine residencia (Altersheim) Ausgang erlaubt? Ich weiss nicht, ob mich das andauernde Gerede ablenkt, jedenfalls gestaltet sich die Wegsuche heute mühsamer als sonst. Die Pfeile sind manchmal kaum zu erkennen und deren Richtung ist nicht immer eindeutig. Ich bin aber trotzdem bereits vor 11 Uhr in Najera, welches heute gemäss Höllhuber das Etappenziel gewesen wäre. Das ist mir jetzt doch etwas zu früh. Ich werde zum Rebell, ich weiche heute vom Etappenplan ab, und zwar nach vorne. Mich beschleicht, ganz kurz nur, ein mulmiges Gefühl: wenn ich das morgen nur nicht bereue! Aber so richtig ernst ist mir mit der Reue nicht, ich fühle mich gut, und ich denke, dass es schon an der Zeit ist, mal die Handbremse etwas zu lockern. Mut fliesst durch meine Adern :-) Das war's dann aber auch schon, denn in Azofra, 7km weiter, wollen mich drei fesche Mädels zum Weiterlaufen überreden. Aber die nächste Herberge sei zu, da müsse man schon bis St. Domingo durch. Für mich wären das dann über 40 km. Schweren Herzens bringe ich den netten jungen Damen bei, dass sie ohne mich auskommen müssen.




Luxusherberge mit Zweierzimmern und Gartenoase in Azofra

Als Trost wartet eine Herberge mit wunderbarem Garten inklusive Pool auf mich, und das Beste: die Herberge hat alles Zweierzimmer! Da sinkt schon mal die Chance, einen Schnarchweltmeister im gleichen Zimmer zu haben, aber bei meinem Glück... Ich beschliesse, dass ich in diesem Falle freiwillig draussen im Garten übernachten würde. Eventuell bleibe ich ja sogar alleine, oder es kommt eine heiratswütige Brasilianerin... Draussen laufen viele zufrieden grinsende Pilger herum, alle suchen tiefschürfende Gespräche nach dem Motto "das ist eben MEIN Camino". Manchmal kann ich es nicht mehr hören. Nein, ich habe keine interessante Geschichte zu erzählen, tut mir leid, liebe Mitpilger. Ansonsten geneisse ich das Abhängen im Garten beim Pool unter Olivenbäumen, ist wie Sommerferien. Mittlerweile gibt nämlich der Sommer in Nordspanien ein Comeback; nach Mittag kann's ganz schön heiss werden. Schon wieder ein Grund, das tägliche Laufpensum möglichst früh hinter sich zu bringen. Am rechten Fuss meckert der kleine Zeh ganz rechts aussen, aber nur wenn ich die Wanderschuhe anhabe. Ich überlege mir drum, ob ich Morgen nicht mal eine Etappe ganz in den Turnschuhen laufen kann. Momentan sind die Wege eben, viel Asphalt, viele Kieswege.


Mein Pilgerpass, noch recht jungfräulich...

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