Montag, 28. September 2009

E12 - Hornillos d.C.

Burogs bis Hornillos del Camino (km 307)
20km, 4 Std, 5E Herberge, 12E Essen, 3E Bier

Heute mal etwas ganz Neues: Wecken per Gong und Lautsprecherdurchsage! So oder ähnlich habe ich das mal in einem Gefängnisfilm gesehen! Ich habe mich an einen kleinen Energiekick am Morgen gewöhnt, und drum befreie ich heute einen Schokolade-Croissant aus einem Automaten und ersäufe ihn mit einem café con leche. Um 7.45 Uhr ist es eigentlich immer noch zu dunkel, aber ich habe gestern schon den Weiterweg recherchiert, und es sind schon viele Pilger unterwegs. Einer wird wohl den Weg aus der Stadt finden; Burgos ist auch am westlichen Ende nicht besser beschildert als am Eingang gestern. Das hat immerhin den Vorteil, dass ich nicht zu schnell losdüse. Gemäss Buch eine "einsame Strecke", aber so viel 'Verkehr' wie heute habe ich noch nie gehabt.



Neben, über und sogar unter der Autobahn geht heute der Weg.

Nach Hornillos kommt lange nichts mehr, d.h. nach weiteren 6km hätte es zwar eine Herberge, aber ohne Toilette. Also nichts für mich. Das stille Örtchen ist für mich das wichtigste Equipment. Nur wenn ich morgens richtig leergekackt bin, fühle ich mich wohl und kann beruhigt starten.  Dazu brauche ich mindestens drei Sitzungen; lieber verzichte ich auf Kaffee oder Gipfel. Ich bleibe also hier, nur schon dem Namen zu liebe. "Hornillos" tönt doch wie die Bläsersection einer Rock'n'Roll-Band! A propos Blasen: ich bin nicht sicher, ob ich hinten rechts nicht doch eine Blase eingefangen habe. Es ist eher eine Verhärtung, stört nicht, nur bin ich immer noch übervorsichtig und habe Angst, dass daraus etwas werden könnte, z.B. ein Infektion.


Mal eben den Überblick verschaffen...


Die Herberge ist mal wieder ein Hit. Sehr sauber, die Duschen grosszügig, die Schlafräume eher eng. Und ich finde es immer hübsch, wenn ein Getränkeautomat für nur einen Euro ein Büchse gekühltes Bier ausspuckt. Heute gibt's sogar ein ADLERBRAU! Leider nicht das "Adlerbräu" aus dem Glarnerland, aber mit fast gleichem Namen aus Deutschland. Eine Stunde nach Einlass sind schon ca. zwei Duzend Rentner hier, alles Franzosen! Das wird wohl wieder laut heute Abend... Einmal mehr bietet das Kaff nichts ausser der Herberge, der Bar und dem Gotteshaus. Ich wiederhole mich, ich weiss. Ich habe mich langsam daran gewöhnt, die Nachmittage nur mit mir zu verbringen, den Gedanken nachzuhängen, ohne Zerstreuung, kein Kino, keine Zeitung, kein Fernseher. Andere haben mehr Mühe: John aus den USA murmelt resigniert, dass er sich wohl auf einen weiteren "boring afternoon" einstellen muss. Tatsächlich verbringen viele Pilger die Nachmittage schlafend. Das ist mir dann doch zu schade; irgend etwas sieht oder irgend jemanden trifft man immer. Heute spreche ich in der kleinen Bar mit dem vorhin erwähnten John. Er ist mit Sean aus Australien unterwegs. Ein ungleiches Duo: John, 60, ist ruhig, besonnen, abgeklärt. Sean, 47, hingegen kommt mir vor wie ein Kind: er staunt ab jedem Satz, den ich sage, findet alles "great", "smart", "clever" oder mindestens "a good point, Rudolf!". Am Nebentisch verbindet eine verschwitzte, abgekämpfte Dame ungeniert die Fersen. Sie ist die Jüngste in der Runde, aber am schlechtesten dran.



Das ist doch mal ein cooler Name!


Zur Herberge geht's zwischen den Säulen nach rechts.

Auch die kleinste Bar hat ziemlich sicher einen Speisesaal, einen comedor, im hinteren Teil des Hauses. Der heutige ist so klein, dass die Pilger in Schichten essen müssen. Ein mürrisch wirkender Deutscher wedelt mit seinem anderthalb Meter langen credencial (Pilgerpass) herum. Er ist wohl angemacht worden und muss die Pilgerhackordnung wieder herstellen. Bei den Deutschen scheint eine Art Hierarchie zu bestehen, die sich auf die Anzahl zurückgelegter Kilometer stützt?!? John und ich warten auf Sean, aber es könnte gut sein, dass ihm eingefallen ist, er könnte Postkarten schreiben und so das Nachtessen vergisst. Der ist wirklich ein Knaller. Pennt mit einer Augenbinde.

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